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'''Vollwerternährung''' bezeichnet ein Ernährungskonzept, bei dem frische und unbehandelte sowie Vollkornprodukte bevorzugt werden.
Vollwerternährung erfordert nach Ansicht von und anderen Vertretern dieser Theorie eine hohe Qualität der Nahrungsmittel sowie eine bessere , und Wirtschaftsverträglichkeit.
Historisch geht die Vollwerternährung auf die '''Vollwertkost''' von und zurück.
'''Vollwertige Ernährung''' basiert auf den Empfehlungen der und bezeichnet ein -Konzept mit ischer Zielsetzung, ohne jedoch Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.
Bei der '''vollwertigen pflanzlichen Ernährung''' wird eine rein vegane Kost angestrebt.

Geschichte

Ernährungsreformer vor 1933

Der Begriff ''Vollwertkost'' wurde zwar erst von dem nationalsozialistischen Wissenschaftler .

Der amerikanische Prediger und Vegetarier entwickelte 1829 als Alternative zum damals populären ein aus dem feinen - des s. Ab 1861 machte der Naturheilkundler und Vegetarier dieses sogenannte in der Schweiz populär. Hahn sah im Verzehr von weißem, kleiefreien Brot eine Ursache für diverse Krankheiten einschließlich und ?Gemütskrankheiten?. Auch der Laienheiler propagierte eine möglichst ?naturbelassene? Kostform, also vor allem . Am wertvollsten sei Getreide in Form ganzer Körner, gefolgt von Schrot und . Die ?naturgemäße Ernährung? sei die wesentliche Voraussetzung für Gesundheit.

Werner Kollath (1892?1970) hatte Kontakt zu und publizierte in dessen Zeitschrift ''Der Wendepunkt''.

Entwicklung nach 1945

Nach 1945 und bis in die 1960er Jahre hinein gab es in Deutschland wenig Interesse an speziellen Ernährungsphilosophien, denn zunächst ging es darum, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dann überwog der Wunsch, die Mangeljahre der Kriegszeit auszugleichen, und es folgte in den 1950er Jahren die so genannte ?Fresswelle?. In England waren Lebensmittel noch bis 1954 rationiert. Erst in den 1970er Jahren wurde gesunde Ernährung wieder zu einem öffentlich diskutierten Thema.

Die (DGE), 1953 gegründet, führte den Begriff ''vollwertige Ernährung'' ein und definiert diese im Wesentlichen als Ernährung, die alle notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge, im richtigen Verhältnis und in der optimalen Form enthält. Fleischkonsum wird nur in Maßen empfohlen. 1954 gründete die (IVG), zu deren Schwerpunkten auch die wissenschaftliche Forschung zur vollwertigen Ernährung gehörte. Sie spricht im Unterschied zur DGE von ''Vollwert-Ernährung'' und erklärt 1955, dazu gehöre auch ?eine natürliche Bodenfruchtbarkeit, eine biologisch-hygienische Düngung mit harmonischer Mineraldüngung und ­versorgung, mit einer Tierhaltung in gesunden Ställen zur Erzeugung gesunder, antibiotikafreier Milch?.

In den 1960er Jahren entwickelte .

Ende der 1970er Jahre entwickelten , der sich bis heute für die Verbreitung der Vollwert-Ernährung und eine neutrale, wissenschaftliche begründete Ernährungsaufklärung einsetzt.

Leitzmann, Koerber und Männle modernisierten Kollaths Lehre und berücksichtigten ökologische und sozioökonomische Aspekte bei ihren Ernährungsempfehlungen. Pflanzenkost wird wie bei Kollath und Bircher-Benner eine größere Bedeutung beigemessen als tierischen Lebensmitteln. 1981 veröffentlichten sie ein Buch zur ''Vollwert-Ernährung'', das zuletzt 2004 in überarbeiteter Neuauflage erschienen ist.

Vollwertkost

Der Bakteriologe und Hygieniker Werner Kollath stellte 1942 in seinem Buch ''Die Ordnung unserer Nahrung'' das Ernährungskonzept der Vollwertkost vor. Der Grundgedanke ist das Postulat, Lebensmittel seien umso wertvoller und gesünder, je weniger sie bearbeitet werden. Kollath unterteilte die Lebensmittel in sechs ?Wertgruppen?:
  1. unveränderte, frische Lebensmittel, die nicht erhitzt wurden
  2. veränderte Lebensmittel
  3. veränderte Lebensmittel
  4. hitzebehandelte Nahrungsmittel
  5. oder stark verarbeitete Nahrungsmittel
  6. isolierte Lebensmittelsubstanzen oder ihre Kombination

Die ersten drei Gruppen werden zusammengefasst als ?Lebensmittel?, die anderen drei als ?Nahrungsmittel?. Nach Kollaths Theorie enthalten nur möglichst unbehandelte Lebensmittel genügend essentielle Inhaltsstoffe, die er ?Auxone? nannte. Durch den Mangel von Auxonen würde ?Mesotrophie?, eine Mangelernährung, die zu chronischen Erkrankungen führe, hervorgerufen.

Kollath unterschied zwischen ?lebender Kost?, die ?Fermente? enthalte und die er als ''Lebensmittel'' bezeichnete, und ?toter Nahrung?, die er ''Nahrungsmittel'' nannte. Dem ?n­wert? stellt er den ?Frischwert? gegenüber; die sei der ?Teilwert?, die Frische dagegen der ?Vollwert? der Nahrung. Gekochte Kost ist seiner Auffassung nach grundsätzlich nur ?teilwertig?.

Der Zahnarzt Johann Georg Schnitzer und der Internist Max Otto Bruker entwickelten eigene Ernährungslehren in Anlehnung an die Vollwertkost. Im Zusammenhang mit den n hat sich auch der Begriff ''Naturkost'' verbreitet, der jedoch aus der -Bewegung stammt und somit einen anderen Ursprung als die im 20. Jahrhundert dazu verbreiteten ernährungswissenschaftlichen Theorien hat.

Das Konzept der unbehandelten Nahrungsmittel

Viele Nahrungsmittel sind für den Menschen überhaupt nur verträglich, weil der Mensch im Laufe der Geschichte gelernt hat, diese entsprechend zuzubereiten. Der Anteil der ?Rohkost? sagt daher nichts darüber aus, inwieweit eine Ernährungsweise ?gesund? ist.

Kollaths Einteilung der Lebensmittel in sechs Wertstufen ist nicht immer nachvollziehbar: So gilt z. B. Muskelfleisch als hitzebehandelt (Wertstufe 4), Innereien aber werden zu den isolierten Substanzen (Wertstufe 6) gezählt; blanchierte Hülsenfrüchte gelten als unerhitzt (Wertstufe 1), Fruchtsäfte dagegen als erhitzt (Wertstufe 4); Früchtetee wird als unerhitzt, Malzkaffee als erhitzt eingestuft; Muscheln werden als mechanisch verändert eingeordnet.

Vollwertige Ernährung

Den Begriff ''vollwertige Ernährung'' benutzt die DGE in Abwandlung des Begriffs ''Vollwertkost''. Die Kurzdefinition der DGE besagt, dass eine Kost dann als vollwertig gilt, wenn sie alle nötigen ungünstig beurteilt.[fehlende Quelle]

Die DGE wurde 1953 gegründet mit dem Ziel, ?Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Bevölkerung durch Anleitung zu richtiger und vollwertiger Ernährung zu erhalten und zu steigern?. Seit Anfang der 1960er-Jahre fasst die DGE ihre Ernährungsempfehlungen in zehn Regeln zusammen.

Die aktuellen Ernährungsregeln der vollwertigen Ernährung:
  • ausgewogene Ernährung, die alle Nährstoffe enthält,
  • pflanzliche Nahrungsmittel werden bevorzugt,
  • täglich sollen fünf Portionen Obst und Gemüse verzehrt werden,
  • wenig Zucker und wenig Salz,
  • schonende Zubereitung der Lebensmittel,
  • Getreideprodukte und sowie Milchprodukte sollen täglich gegessen werden,
  • 300 Gramm bis maximal 600 Gramm Fleisch und Fisch pro Woche, wenig ,
  • wenig Fett und fettreiche Lebensmittel; pflanzliche Fette sind zu bevorzugen,
  • 1,5 bis 2 Liter täglich trinken,
  • abwechslungsreiche Nahrung.

Den Schwerpunkt der vollwertigen Ernährung bilden Getreideprodukte, n, , Gemüse und Obst. Bevorzugt werden ­produkte. wird als besonders wertvoll angesehen. Die DGE empfiehlt täglich fünf statt der oft üblichen drei Mahlzeiten. Obst oder Gemüse sollten Bestandteil jeder Mahlzeit sein. Fleisch sollte nicht täglich gegessen werden, Fisch ein- bis zweimal pro Woche, Wurst und Eier nur selten. Die bevorzugten Getränke sind , verdünnte Säfte und ungesüßter . Milch gilt nicht als Getränk, sondern als Lebensmittel. , und Alkoholika gelten als ungeeignete Flüssigkeitszufuhr.

Die ?Angepasste Vollkost? ist ein Konzept der DGE und legt dar, wie trotz Unverträglichkeit bestimmter Lebensmittelgruppen eine vollwertige Ernährung erreicht werden kann.

Vollwerternährung

Der Begriff Vollwerternährung wurde erstmals in den 1950er Jahren von der IVG verwendet, die bereits Gesichtspunkte der einbezog. 1956 hieß es in einer Publikation: ?Unter gesunder Vollwerternährung verstehen wir eine solche, die auf einer biologisch ausgerichteten Land- und Gartenwirtschaft beruht, somit auf einem Landbau, der mit naturgemäßer, harmonisch eingepasster Tierhaltung verbunden ist.?

Das Konzept der heute aktuellen Vollwert-Ernährung stammt von den Ernährungswissenschaftlern Claus Leitzmann, Karl von Koerber und Thomas Männle und wurde 1981 erstmals publiziert und zuletzt 2003 aktualisiert. Wissenschaftliche Belege über den gesundheitlichen Nutzen erbrachte Claus Leitzmann mit seinen Mitarbeitern in den 1990er Jahren an der Universität Gießen (''Gießener Vollwert-Ernährungsstudie'').

Die Definition wird in Anlehnung an den Standort der Autoren als ''Gießener Formel'' bezeichnet:

{{Zitat|Vollwert-Ernährung ist eine überwiegend pflanzliche (lakto-vegetabile) Ernährungsweise, bei der gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden. Gesundheitlich wertvolle, frische Lebensmittel werden zu genussvollen und bekömmlichen Speisen zubereitet. Die hauptsächlich verwendeten Lebensmittel sind Gemüse und Obst, Vollkornprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte sowie Milch und Milchprodukte, daneben können auch geringe Mengen an Fleisch, Fisch und Eiern enthalten sein. Ein reichlicher Verzehr von unerhitzter Frischkost wird empfohlen, etwa die Hälfte der Nahrungsmenge.

Zusätzlich zur Gesundheitsverträglichkeit der Ernährung werden im Sinne der Nachhaltigkeit auch die Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit des Ernährungssystems berücksichtigt. Das bedeutet unter anderem, dass Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft sowie regionale und saisonale Produkte verwendet werden. Weiterhin wird auf umweltverträglich verpackte Erzeugnisse geachtet. Außerdem werden Lebensmittel aus Fairem Handel mit sog. Entwicklungsländern verwendet. Mit Vollwert-Ernährung sollen hohe Lebensqualität ? besonders Gesundheit ?, Schonung der Umwelt, faire Wirtschaftsbeziehungen und soziale Gerechtigkeit weltweit gefördert werden.
|C. Leitzmann, K. v. Koerber, Th. Männle|''Gießener Formel aktualisiert.'' In: UGB-Forum 20 (5), S. 256, 2003}}

Die Vollwert-Ernährung baut nach Aussage der Gießener Wissenschaftler auf die Ernährungslehren von Bircher-Benner und Kollath auf. Möglichst wenig verarbeitete Lebensmittel enthalten nach ihrer Überzeugung den ?vollen Wert? der natürlichen Inhaltsstoffe und seien daher ?vollwertig?. Den Begriff ''Vollwertkost'', den Kollath 1942 eingeführt hatte, haben sie geändert in ''Vollwert-Ernährung''. Das Gießener Ernährungsmodell teilt Nahrungsmittel nur noch in vier statt sechs Wertstufen ein, von ?nicht/gering verarbeitet? (sehr empfehlenswert) bis zu ?übertrieben verarbeitet? (nicht empfehlenswert). Empfehlungen zur zufuhr werden nicht gegeben.

Beim Getreide sollen -Produkte bevorzugt werden. Milch und e sollen nur in mäßigen Mengen verzehrt werden, am besten oder pasteurisierte Vollmilch. Der Verzehr von Fleisch, Fisch und Eiern wird als unnötig eingestuft, jedoch nicht völlig abgelehnt. Als angemessen gelten pro Woche zwei Fleischmahlzeiten, eine Fischmahlzeit und zwei Eier. wird überhaupt nicht empfohlen, ebenso wenig Innereien wegen der Schadstoffbelastung. und sollen gemieden werden mit Hinweis auf die potenzielle Begünstigung verschiedener Erkrankungen wie und .

Etwa die Hälfte der täglichen Kost soll aus bestehen, was mit dem höheren Gehalt wichtiger Inhaltsstoffe begründet wird. Allerdings wird eingeräumt, dass nicht alle Menschen Rohkost gut vertragen, so dass u. a. für Senioren ein geringerer Anteil besser sei. Zusatzstoffe in Lebensmitteln werden mit der Begründung abgelehnt, dass gesundheitliche Risiken nicht völlig auszuschließen seien.

Zur Gruppe 4 der nicht empfehlenswerten Lebensmittel gehören bei der Vollwert-Ernährung unter anderem , , gentechnisch veränderte Lebensmittel (), , extrahierte produkte wie , , Sojalecitin, gehärtete , , , , stoffe und Süßwaren.

Das Modell der Vollwert-Ernährung geht jedoch über ein rein ernährungswissenschaftliches Konzept hinaus und enthält darüber hinaus Elemente und politische sowie ökologische Aussagen. Neben der Gesundheitsverträglichkeit sollen auch Umwelt- und Sozialverträglichkeit bei der Ernährung berücksichtigt werden. Daher soll Erzeugnissen aus der Region der Vorzug gegeben werden. Auch der weitgehende Verzicht auf Fleisch wird ökologisch begründet. Insbesondere Getreide und Hülsenfrüchte (vor allem Sojabohnen) könnten auch direkt der menschlichen Ernährung dienen, anstatt zur Produktion von Fleisch, Milch und Eiern eingesetzt zu werden. Auf diese Weise könnten wesentlich mehr Menschen von der gleichen Ackerfläche ernährt werden, da bei der Umwandlung zu tierischen Produkten durchschnittlich 65 bis 90 Prozent der Nahrungsenergie und des Proteins pflanzlicher Futtermittel verloren gehen.

Im Sinne sozialer Gerechtigkeit wird solidarisches Kaufverhalten von den Konsumenten gefordert, indem sie z. B. Produkte aus ?fairem Handel? bevorzugen. Kritik geübt wird auch am ?Agrarprotektionismus? der . , und werden abgelehnt.<ref name="leitzmann">Claus Leitzmann u. a.: ''Alternative Ernährungsformen'', Stuttgart 1999, Kapitel ''Vollwerternährung'', S. 150?180.</ref>

Die Gießener Ernährungswissenschaftler haben für ihre Ernährungslehre sieben Grundsätze aufgestellt:
  1. Genussvolle und bekömmliche Speisen
  2. Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel (überwiegend lakto-vegetabile Kost)
  3. Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel ? reichlich Frischkost
  4. Ökologisch erzeugte Lebensmittel
  5. Regionale und saisonale Erzeugnisse
  6. Umweltverträglich verpackte Produkte
  7. Fair gehandelte Produkte

Vollwertige pflanzliche Ernährung

Die ''vollwertige pflanzliche Ernährung'' beschreibt eine rein vegane Ernährungsweise auf Basis von Vollkornprodukten, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst, Nüssen und Samen.

Literatur

  • Max Otto Bruker: ''Unsere Nahrung ? Unser Schicksal. Alles über Ursachen, Verhütung und Heilbarkeit ernährungsbedingter Zivilisationskrankheiten.'' 31. Auflage, emu-Verlags- und Vertriebsgesellschaft Ernährung-Medizin-Umwelt, Lahnstein 1999, ISBN 3-89189-003-6.
  • Werner Kollath: ''Die Ordnung unserer Nahrung.'' 17. Auflage, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart 2005.
  • Claus Leitzmann: ''Die Gießener Konzeption der Vollwert-Ernährung.'' In: ''Zeitschrift für Ernährungsökologie.'' 1, 2000, S. 195?199.
  • Jörg Melzer: ''Vollwerternährung. Diätetik, Naturheilkunde, Nationalsozialismus, sozialer Anspruch.'' , Stuttgart 2003, .
  • Uwe Spiekermann: ''Der Naturwissenschaftler als Kulturwissenschaftler. Das Beispiel Werner Kollaths.'' In: Gerhard Neumann, Alois Wierlacher, Rainer Wild (Hrsg.): ''Essen und Lebensqualität. Natur- und Kulturwissenschaften im Gespräch.'' Frankfurt am Main, New York 2001, S. 247?274.
  • Hans Jürgen Teuteberg (Hrsg.): ''Die Revolution am Esstisch: neue Studien zur Nahrungskultur im 19., 20. Jahrhundert.'' Steiner, 2004, ISBN 3-515-08447-9.
  • Karl von Koerber, Thomas Männle, : ''Vollwert-Ernährung.'' 11. überarbeitete Auflage, Haug Verlag 2012, ISBN 978-3-8304-7494-4.

Weblinks

  • In: '''' Fachzeitschrift für Gesundheitsförderung, 1999
  • In: ''UGB-Forum'' 20 (5), S. 256, 2003
  • , 1. März 2002

Einzelnachweise